Lettershops - Berliner Gericht bremst Datenschutzbehörde aus

Das Verwaltungsgericht Berlin (VG Berlin, 1 K 74/24) hat ein wichtiges Urteil für Unternehmen gefällt, die postalische Werbung über Lettershops oder Adresshändler abwickeln. Die Entscheidung stellt klar: Ein klassisches Lettershop-Verfahren begründet nicht automatisch eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO.

Worum ging es?

Ein Unternehmen hatte Werbung per Post verschickt – ohne eigene Adressbestände, sondern über einen Adresshändler, der die Daten selbst auswählte und auch den Versand übernahm. Das Unternehmen gab lediglich grobe Kriterien vor (z. B. Region, Zielgruppe).
Die Berliner Datenschutzaufsicht sah darin eine gemeinsame Verantwortlichkeit, weil beide Seiten angeblich gemeinsam Zweck und Mittel der Verarbeitung festlegten – und sprach eine Verwarnung aus.

Das VG Berlin hob diese Verwarnung jedoch auf.

Kern der Entscheidung

Das Gericht grenzt klar ab:

  • Der Zweck (Direktwerbung) wird vom werbenden Unternehmen vorgegeben.

  • Die Mittel der Datenverarbeitung (Auswahl der Daten, technische Umsetzung, Datenmodellierung, Versand) werden aber allein durch den Lettershop/Adresshändler bestimmt.

Solange das Unternehmen keinen Zugriff auf Adressen erhält und nicht steuert, wie Daten konkret verarbeitet, angereichert oder segmentiert werden, liegt keine gemeinsame Verantwortlichkeit vor.

Das Urteil ist für die Praxis deshalb bedeutend, weil viele Unternehmen Lettershops bewusst so nutzen, um interne Datenschutzrisiken gering zu halten.

Konflikt zur Auffassung der Berliner Datenschutzbehörde

Im Tätigkeitsbericht 2024 vertritt die Berliner Beauftragte für Datenschutz eine entgegengesetzte Position:
Bei Adressmiete + Lettershop-Verfahren sieht sie grundsätzlich gemeinsame Verantwortlichkeit, selbst wenn das werbende Unternehmen die Adressen nie erhält.

Damit bleibt ein erheblicher Spannungsbereich zwischen gerichtlicher Rechtsprechung und behördlicher Praxis – insbesondere für bundesweit tätige Unternehmen, die in Berlin adressieren oder dort geprüft werden könnten.

Was bedeutet das für Unternehmen?

1. Lettershop-Modelle bleiben zulässig – bei richtiger Gestaltung
Unternehmen können weiterhin postalische Werbung über Lettershops nutzen, ohne automatisch gemeinsame Verantwortlichkeit auszulösen.

2. Aber: Aufsichtsrisiko bleibt
Gerade in Berlin kann die Behörde weiterhin gegen Unternehmen vorgehen, da sie ihre restriktive Sicht nicht aufgegeben hat.

3. Handlungsempfehlungen für die Praxis
Unternehmen sollten sicherstellen, dass

  • der Lettershop eigene Adressbestände nutzt,

  • die Adressselektion autonom durch den Dienstleister erfolgt,

  • keine Einsicht in Adressdaten besteht,

  • die vertragliche Gestaltung klar dokumentiert, dass der Dienstleister die Mittel bestimmt,

  • der gesamte Prozess nachvollziehbar dokumentiert ist.

Wer diese Punkte umsetzt, kann sich im Streitfall überzeugend auf das Urteil des VG Berlin berufen.