BGH zu Google-Bildern: Wann deutsches Urheberrecht bei ausländischen Websites greift

Urheberrechtsverletzungen über ausländische Websites: Wann greift deutsches Recht? – BGH konkretisiert „Inlandsbezug“ bei Google-Bildersuche
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2024 – I ZR 50/24 („Produktfotografien“)

Worum ging es?

Eine deutsche Modefirma stellte fest, dass ihre Produktfotos über die Google-Bildersuche zu finden waren. Klickte man auf die Vorschaubilder, führten diese zu Online-Shops mit den Endungen .kz (Kasachstan) und .ua (Ukraine). Die Seiten waren überwiegend auf Kyrillisch, enthielten aber deutsche Artikelbeschreibungen.
Die Firma sah darin eine Verletzung ihrer Urheberrechte und verklagte das in Deutschland ansässige Unternehmen, das hinter den Shops stand – auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz.

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Hamburg wiesen die Klage ab. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte nun diese Entscheidung – mit einer für die Praxis sehr wichtigen Begründung.

Kern des Urteils

Der BGH stellt klar:

Eine Urheberrechtsverletzung mit Auslandsbezug liegt nur dann vor, wenn ein „hinreichender Inlandsbezug“ besteht.

Das bedeutet: Auch wenn ein Internetangebot aus dem Ausland in Deutschland abrufbar ist, reicht das allein nicht aus, um deutsches Urheberrecht anzuwenden.

Was ist ein „hinreichender Inlandsbezug“?

Der BGH überträgt hier ausdrücklich die bisher im Markenrecht geltende Logik („commercial effect“) auf das Urheberrecht. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung:

Folgende Punkte sprechen für oder gegen einen Inlandsbezug:

  • Sprache der Website

  • verwendete Top-Level-Domain (z. B. .de vs. .ua)

  • angebotene Zahlungsmittel und Währungen

  • vorhandene oder fehlende Kontaktadressen in Deutschland

  • Versandmöglichkeiten nach Deutschland

  • tatsächliche Verkäufe oder Werbemaßnahmen, die sich an deutsche Kunden richten

  • sichtbare Vorteile, die der Betreiber aus der Erreichbarkeit in Deutschland zieht

Im konkreten Fall:

  • Die Seiten nutzten kasachische und ukrainische Domains,

  • sie richteten sich sprachlich und organisatorisch an dortige Märkte,

  • es gab keine gezielte Werbung oder Lieferung nach Deutschland.

Der BGH sah deshalb keine relevante Nutzungshandlung im Inland – und damit keine Urheberrechtsverletzung nach deutschem Recht.

Was bedeutet das für die Praxis?

Für Rechteinhaber (z. B. Fotografen, Designer, Unternehmen):

  • Das bloße Auffinden eigener Fotos über die Google-Bildersuche reicht nicht automatisch aus, um in Deutschland zu klagen, wenn die eigentliche Website im Ausland liegt.

  • Es muss ein konkreter Bezug zu Deutschland bestehen – etwa, wenn die Seite gezielt auf deutsche Nutzer ausgerichtet ist oder Verkäufe nach Deutschland anbietet.

  • Wer Verletzungen im Ausland bekämpfen will, muss prüfen (und notfalls beweisen), dass die Seite gezielt den deutschen Markt anspricht.

Für Betreiber von Online-Shops oder Plattformen:

  • Wer Inhalte auch für ausländische Märkte bereitstellt, sollte die Zielrichtung klar trennen – etwa durch eigene Domains (.kz, .ua) und Spracheinstellungen.

  • Wer nur ausländische Märkte bedienen will, sollte technische Maßnahmen (z. B. IP-Filter) nutzen, um Missverständnisse zu vermeiden.

  • Andernfalls kann – bei einem erkennbaren Bezug – deutsches Urheberrecht greifen.

Einordnung und Bedeutung

Der BGH schafft mit diesem Urteil Rechtssicherheit für Internetfälle mit Auslandsbezug. Er zieht eine klare Grenze zwischen „global abrufbar“ und „in Deutschland rechtlich relevant“.
Damit wird verhindert, dass deutsche Urheberrechte grenzenlos ausgedehnt werden – gleichzeitig wissen Rechteinhaber nun, wann sie im Inland erfolgreich gegen Online-Verletzungen vorgehen können.

Für internationale Online-Shops, Plattformbetreiber und Rechteinhaber gilt damit:

Entscheidend ist nicht die bloße Abrufbarkeit – sondern die gezielte Ausrichtung auf den deutschen Markt.

Kurz gesagt

  • Abrufbarkeit über Google reicht nicht → kein automatischer Verstoß in Deutschland

  • Maßstab: hinreichender Inlandsbezug

  • Kriterien: Domain, Sprache, Währung, Zielpublikum, Versand, Werbung

  • Praktisch relevant für: E-Commerce, Bildnutzungen, Plattformbetreiber, Agenturen